Passt schon – Ein Plädoyer für die Improvisation

Wir sind von einem Virus befallen. Und jeder von uns ist von ihm betroffen. Manche mehr und manche weniger. Die Rede ist vom Perfektionismus.

Der Perfektionismus ist eine der größten Zeitmanagementqualen. Zumindest, wenn ich mich mit meinen Klient:innen unterhalte. Viele bezeichnen ihren Perfektionismus als eines ihrer größten Probleme.

Grund genug, in diesem Beitrag dem Perfektionismus mal den Kampf anzusagen und stattdessen eine vielleicht nicht so naheliegende Alternative vorzustellen.

Perfektionismus als Megatrend

Überall werden wir heutzutage mit Perfektionismus konfrontiert. Auf Social Media zeigen uns Influencer:innen ihr perfektes Leben, ihren perfekten Look, kochen perfekt aussehende Gerichte und zeigen uns die idyllischsten Bilderbuch-Locations auf dieser Welt.

Wir bekommen jeden Tag gezeigt und vorgelebt, wie einfach alles funktioniert, optimal aussieht und unvergesslich schmeckt.

Und das kann ganz schön stressen. Denn ob wir wollen oder nicht, vergleichen wir uns häufig mit dem, was wir da sehen.

Und wir alle sind empfänglich dafür, das, was wir da sehen, auch haben oder machen zu wollen. Der Wunsch nach Perfektionismus ist geboren.

Und auch der Trend des Minimalismus, obwohl er auf den ersten Blick eine ganz andere Richtung einschlägt, ist Teil dieses Virus. So großartig aufgeräumt möchte ich meine Wohnung auch haben. So leer und ordentlich soll mein Keller auch aussehen.

Und dann fangen wir an, diesen Beispielen hinterherzujagen. Hier noch etwas optimieren, da noch verbessern. Und schon sind wir in der Perfektionismusfalle. Und wenn wir einmal in dieser Falle stecken, kann sie uns extrem lähmen.

Und plötzlich haben wir den Blick für die Realität verloren. Anstatt dann mit dem bereits Erreichten zufrieden zu sein, frustriert uns das „unperfekte“ Ergebnis und wir fühlen uns schlechter als vorher.

Perfektionismus lähmt

Wir müssen noch nicht einmal den großen Vorbildern auf Social Media nacheifern. Auch im Alltag begegnet uns unser Perfektionismus ständig.

Du willst zum Beispiel einen Vortrag oder eine Präsentation halten. Du hast viele Ideen und möchtest sie alle unterbringen. Denn schließlich soll ja alles Wichtige enthalten sein. Jede:r soll mit dem Ergebnis zufrieden sein.

Und optisch soll es natürlich auch gut aussehen. Also beschäftigst du dich auch intensiv mit der Formatierung, den Farben, Animationen und großartigen Hintergrundbildern.

Und plötzlich hat die Vorbereitung länger gedauert als geplant. Denn bei jeder kleinen Entscheidung und Maßnahme, die dich dem perfekten Ergebnis näherbringen soll, hast du unglaublich viel Zeit investiert. Nur um dann festzustellen, dass du noch etwas anderes verbessern könntest. Ein Teufelskreis, der kein Ende nimmt.

Warum diesen Teufelskreis nicht einfach mal durchbrechen und rechtzeitig „Passt schon“ sagen?

„Passt schon“ …

Mal ganz ehrlich: wer hat nach einem gehaltenen Vortrag, einer gezeigten Präsentation oder einem geschriebenen Artikel schon einmal das Feedback bekommen, dass das perfekt war. Vermutlich niemand. Stattdessen hat man vielleicht gehört, dass es großartig war, vielleicht auch inspirierend oder dass es ganz einfach Spaß gemacht hat.

Und vermutlich niemand wird dir hinterher sagen, dass „aber auf Folie 42 die Überschrift zu weit links war“ oder „der erste Satz im zweiten Kapitel nicht rund klang“.

Also verabschiede dich doch einfach mal von dem Gedanken, alles perfekt machen zu wollen. Dein Maßstab ist sowieso immer deutlich höher als der deines Publikums, deiner Kund:innen oder deiner Kolleg:innen.

Sag dir ruhig häufiger mal: „Passt schon! Merkt sowieso niemand!“

Das soll natürlich nicht bedeuten, nachlässig zu sein und gar keinen Qualitätsanspruch mehr zu haben. Und wenn du mal tief in dich hineinhorchst, wirst du auch merken, dass es weiterhin diesen inneren Kritiker gibt, der dich dazu antreibt, etwas Gutes zu schaffen. Er darf nur nicht mehr die Oberhand gewinnen.

Improvisation als unterschätzte Superkraft

Wie bekomme ich jetzt die Kurve hin zum Thema Improvisation? Denn darum soll es in diesem Beitrag ja eigentlich gehen.

Auf den ersten Blick scheint die Improvisation das genaue Gegenteil von Perfektionismus zu sein. Doch ganz so ist es nicht.

Improvisation ist vielmehr eine alternative Herangehensweise, um Aufgaben zu bewältigen, die sonst vom Perfektionismus dominiert werden.

Wie zum Beispiel beim Schreiben dieses Beitrags. Er entstand durch einen einzigen kleinen Impuls im Rahmen einer von Anna Koschinski veranstalteten Blognacht. Und dieser Impuls bestand lediglich aus dem kleinen Wort „Passt“.

Und einfach draufloszuschreiben und zu improvisieren, ohne lange über das Schreiben eines Beitrags nachzudenken, ist eine andere Art des Arbeitens. Auch für mich.

Normalerweise entsteht ein Blogbeitrag bei mir über einen längeren Zeitraum. Es fängt meist mit einer spontanen Idee an, die ich mir irgendwo notiere. Oft ist es nur eine Überschrift oder ein Oberthema. Und das reift dann erst einmal vor sich hin.

Ich schaue mir meine Ideenliste immer wieder an, es kommen konkretere Ideen zu einem Thema dazu und irgendwann entschließe ich mich, daraus dann tatsächlich einen Beitrag zu schreiben.

Das kostet bis dahin schon ganz schön viel Zeit. Und an dem Punkt habe ich das eigentliche Schreiben noch gar nicht begonnen.

Dann geht es daran, eine klare Kapitelstruktur zu erarbeiten, sich Gedanken über SEO (Suchmaschinenoptimierung) und Zielgruppen zu machen. Und erst dann beginnt erst das Schreiben.

Wieso aber nicht mal anders machen. Improvisieren. Einfach anfangen zu schreiben.

Improvisation ist nämlich kein chaotischer Prozess, sondern einfach eine andere Art, etwas entstehen zu lassen. Weniger mit dem Kopf, mehr mit dem Bauch zu arbeiten.

Womöglich entsteht daraus dann etwas völlig anderes, als wenn man es bis ins kleinste Detail plant und perfektionieren möchte.

Und daraus können dann Dinge entstehen, die vielleicht so anfangs nicht geplant waren, aber trotzdem einen Wert haben. Und auch bei einem solchen Ergebnis wird niemand die Perfektion vermissen, sondern sich über das Ergebnis freuen, sich inspiriert fühlen oder einfach Spaß am Produkt, Vortrag oder geschriebenen Text haben.

Der einzige Unterschied ist: Der Schaffensprozess war völlig frei von Perfektionismus.

Improvisation als Projekt-Methode

Natürlich ist die Improvisation nicht die Universalwaffe gegen Perfektionismus. Und sie kann auch nicht für alle Aufgaben genutzt werden. Doch in vielen Fällen kann sie eine echte Alternative sein und Vorteile bringen.

Versuch & Irrtum
Nicht alles wird beim Improvisieren sofort funktionieren. Aber das ist nicht schlimm. Durch Fehler, Sackgassen oder Irrtümer lernt man meist schneller, passt sich an und macht schneller weiter. Eine gute Übung, um seine Flexibilität zu stärken und neue Dinge zu lernen.

Schnellere Ergebnisse
Anstatt durch den Wunsch nach einem perfekten Ergebnis sehr lange oder sogar ewig für die Fertigstellung zu benötigen, ist ein improvisierter Ansatz viel schneller in einem Stadium, in dem man erste Ergebnisse vorweisen kann. Dies ist zum Beispiel auch eines der herausragenden Merkmale der agilen Projektarbeit. Ein unfertiges Ergebnis bringt immer mehr als eine perfekte Idee in der Schublade. In meinem Artikel "Agile Methoden – ein Praxisleitfaden für effizientes Arbeiten" kannst du mehr darüber erfahren.

Mein Fazit

„Passt schon“ als Ansporn, mal etwas spontan und improvisiert entstehen zu lassen, ist ein gutes Mittel gegen den inneren Perfektionismus. Wir sollten uns davon verabschieden, etwas hinterherzujagen, was wir sowieso nie erreichen können. Perfekt wird es eh nie, aber fertig ist besser als perfekt.

Und Improvisation kann man üben. Wie einen Muskel. Und je öfter wir ihn nutzen, desto stärker wird er.

Wann hast du das letzte Mal einfach improvisiert, statt ewig am Perfektionismus zu feilen?

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